Am 21. und 22. November fand die zweite Ausgabe der So Many Voices Podcast-Konferenz von hauseins in München statt. Weil es mir letztes Jahr so gut gefallen hat, bin ich wieder hin, obwohl ich derzeit nur so peripher mit Podcasts zu tun habe (v.a. durch das Österreichische Podcasting-Meetup Podcasterei.at, das ich mitorganisiere, durch mein low-key-akademisches Interesse an der Szene nach meiner MA-Arbeit zur Plattformisierung des Ökosystems, und einfach als Hörerin).
Der Dumpling – André Dér-Hörmeyer

Unter dem Titel „Der Dumpling“ hat das BR Storyteam den „Braindump“ von Radiolab weiterentwickelt: Ein Methode, mit der das Studiogespräch zwischen Co-Hosts möglichst natürlich klingt. André Dér-Hörmeyer ließ uns erst Phrasen-Bingo spielen (echt?! krass!?) und uns dann Ausschnitte einer Radiolab-Folge von 2009 hören. In der kamen 3 Hosting-Ebenen vor, und eine davon war eben ein ganz frei klingendes Host-Co-Host-Gespräch.
Voraussetzung dafür ist ein möglichst unwissender Co-Host, was seiner Erfahrung nach besonders gut bei Geschichten mit Metaebene oder Mystery funktioniert. Die sechs Schritte im Ablauf sollen dabei Orientierung sein, aber kein starres Gesetz, denn sonst ists mit dem locker und frei klingen ja wieder vorbei.
Als Workflow-Nerd fand ich es wahnsinnig interessant, eines der Wild-Wild-Web-Manuskripte anschauen zu können, in denen die verschiedenen Hosting-Ebenen farblich markiert waren (abgesehen davon war es aber nicht speziell formatiert, was mich tbh gewundert hat!).
Ich hoffe sehr, dass ich bald mal wieder an einer Podcastproduktion mitwirken kann, bei der mir diese Tipps hilfreich werden!
Podcasten im Kollektiv – Sabrina Höbel, Dennis Müller, Julius Bretzel (Lagune 11)

Gemeinsam machts mehr Spaß – das dachten sich auch die sechs von Lagune 11 und podcasten seit März 2025 im Kollektiv, zwischen Berlin und München und mit einem Doku-Fokus. Was sie dabei bisher gelernt haben, haben Sabrina Höbel, Dennis Müller und Julius Bretzel in ihrem Talk erzählt.
Das Beste, das passieren könnte bei diesem Vorhaben: Ein Team zu haben, den Output und die Sichtbarkeit (Markenbildung abseits der Person) zu steigern, den Mental Load zu teilen und alles in allem einfach besser zu werden.
Sie positionieren sich irgendwo zwischen Einzel-Podcaster/in und Produktinsfirma – mit allen Vor- und Nachteilen. Einerseits geballte, vielfältige Kompetenz und mehr Effizienz bei der Umsetzung, andererseits gemeinsame Fixkosten, Orga- und Abstimmungsaufwand, ohne von externen Partnern unabhängig zu sein.
Honorare verrechnen sie nach Stunden und je nachdem wer wie viel davon arbeitet, bekommt einen prozentualen Anteil davon. Vom Podcasten allein leben kann derzeit noch keiner der sechs, alle haben einen weiteren irgendwas-mit-Medien-Brotjob.
Zwei weiße Männer unterhalten sich… –Ayesha Khan, Dennis Chiponda, Vera Katzenberger, Katrin Rönicke

„Zwei weiße Männer unterhalten sich“ ist nicht nur Klischee, sondern immer noch ziemlich verbreitet in der deutschsprachigen Podcast-Bubble. Wie man das ändern könnte, diskutierte Katrin Rönicke mit drei Gäst_innen.
Ayesha Khan vom (un)deutsch-Podcast berichtete davon, dass sie vorerst keine ganzen Videofolgen veröffentlicht, weil sie keinen Bock auf den Hass hat, der ihr als nicht-normschöne Frau dann entgegnen würde. Stattdessen setzt sie mit ihrer Co-Host stark auf community events IRL und Sticker-Guerilla-Marketing.
Dennis Chiponda stellte fest, dass Podcast immer mehr zum Raum für Leute wird, die eh schon Reichweite haben. Ostdeutsche z.B. seien zu wenig sichtbar, Ressourcen zur Weiterentwicklung gebe es in Medienhäusern oft nur dann, wenn nicht-Marginalisierte sie fordern.
Vera Katzenberger beobachtet die deutschsprachige Podcastszene wissenschaftlich und stellt dabei starke Professionalisierung und Kommerzialisierung fest, bei der Prominente dominieren und Algorithmen bestimmen. Bedenklich findet sie die Tatsache, dass algorithmische Charts auch immer mehr Einfluss auf Produktionsbedingungen und -Entscheidungen haben (Instant Flashback zu meiner MA-Arbeit über die Plattformisierung des Podcasting-Ökosystems aus der Sicht von Podcastenden in Österreich, wo ich so ziemlich dasselbe festgestellt habe).
In ihrer 1500 Antworten zählenden Umfrage kam heraus, dass 60% der Podcastenden sich als männlich verstehen und sogar 75% einen akademischen Abschluss haben. Damit das Starten eines Podcasts wieder zugänglicher wird, schlägt sie Mikroförderungen vor.
Indie Podcast Real Talk – Marilena Berends, Giovanni Pellegrino, Anna Scholz, Carolina Torres, Elisabeth Urban

Mit Indie Podcast Real Talk startete mein zweiter Konferenztag. Carolina Torres und Anna Scholz stellten die Frage nach Podcast-Discovery in den Raum (ihr super Newsletter „oh my pod“ ist übrigens ein guter Startpunkt) – und tatsächlich sind persönliche Empfehlungen da immer noch am wichtigsten.
Marilena Berends berichtete von 8 Jahren Podcasten mit „Sinneswandel“ und wie sie nach einer Phase von wachstumsgetriebenem Ehrgeiz zurück zu ihrer eigentlichen Motivation gefunden hat.
Giovanni Pellegrino schlug vor, mit gebrandeter Kleidung zur laufenden Werbetafel fürs eigene Projekt zu werden.
Und Elisabeth Urban erzählte davon, wie es ist, die Unterstützung eines Mediums im Hintergrund zu verlieren, und „Silicon Weekly“ trotzdem auf eigene Faust weiterzumachen.
In der allgemeinen Diskussion war viel Frustration über hohen Workload (v.a. für das Distributions-/Marketing-Drumherum) und den ewigen Hustle für geringe Zuwächse an Hörer_innen zu hören, aber auch über Rückmeldungen aus der Community, die einem den Rücken stärken.
Community mit Hörer_innen lässt sich z.B. über einen Discordserver schaffen, wie das z.B. „don‘t read theory“ machen. Christina Häußler von „Die Leserinnen“ hat einen „happy fucking mother‘s day“ ins Leben gerufen und so Podcast-Freundinnen gewonnen (in die Projekte muss ich unbedingt noch reinhören!).
Mich beschäftigt nach wie vor die Frage, wie wir „Podcasts“ im allgemeinen Verständis wieder ein bisschen weg von „Spotify“ und „Prominenten mit Reichweite“ kriegen, und (wieder?) hin zum „Medium für alle“: Wie durchbrechen wir den Kreis von wer-eh-schon-berühmt-ist-wird-noch-berühmter und geben endlich anderen Stimmen einen Platz?
Wenn es mir als langjährigem Podcast-Nerd schon so schwerfällt, mir neue Podcasts (abseits der tbh wirklich faden Charts) zu finden, wie geht es dann casual Podcast-Hörenden damit?
Die Fazitrunde dieser Session habe ich zugunsten eines Talks auf der Hauptbühne verpasst, und dann auch noch vergessen, die gesammelten Podcastempfehlungen abseits des Mainstreams abzufotografieren – schade!
Einmal Döner-Podcast, bitte – Aylin Doğan

Den „Döner Papers“-Podcast von BR und Kugel und Niere habe ich schon auf dem Weg zur Konferenz angehört (große Empfehlung!).
Er geht der Frage nach, wer eigentlich dieses iconic Logo auf den Dönertüten designt hat, und macht nebenbei noch ein paar mehr große Fragen auf: wem darf das eigentlich gehören? Wo kommt der Döner her? Was hat das mit Gastarbeiter_innen in der BRD zu tun?
Host Aylin Doğan berichtete in ihrem Talk, wie sie und ihr Team versucht haben, dieses Thema möglichst ohne Klischees zu erzählen.
Weil zu Beginn völlig unklar war, ob es wirklich eine Antwort auf die Ausgangsfrage geben würde, hängte das Team die Story an Aylins Person auf. Mit ihrer türkischen Migrationsgeschichte hatte sie außerdem leichteren Zugang zu Interviewpartner_innen und Sensibilität für den Rassismus, mit dem Medien der deutschtürkischen Community oft begegnen.
Als Host klingt sie für den ÖRR ungewöhnlich: selbstironisch, umgangssprachlich, VOLLER Anglizismen, und oft genug hört man auch türkisch in den O-Tönen. Das Sounddesign nahm explizit keine Anleihen an „Orientalischem“, die Release Party fand in einem poshen Kunst-Raum in der Münchner Innenstadt statt.
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Wies ausschaut wird es auch nächstes Jahr wieder eine So many Voices geben – ich freu mich jetzt schon, und vielleicht hab ich bis dahin ja auch wieder ein eigenes Audio-Projekt am Start!